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Kleine Geschichtchen erlebt man überall. Auf so einer Segelreise aber erst recht. Ein paar haben wir für Euch aufgeschrieben:

Impressionen der dj köln vom Pfingsttörn 2000

Frühstück

Nachtwache
 
Gruppe Merlin eine Woche auf derMytilus

Schwedenreise 1999


Reiseimpressionen der dj köln vom Pfingsttörn 2000

Andrew:
angekommen.
nach kurzen uneinigkeiten entschieden wer wo liegt. die kleinsten dürfen natürlich wieder da liegen wo es am engsten ist (oder aussieht, nach der ersten nacht konnte man jörg und markus erfolgreich in ihre seitlich neben der lümmelwiese liegenden kojen zurückdrängen).
viel zu lang scheinende einweisung des schiffes (war schon richtig)

erster tag auf see. zitat : „cool, auf der falado ist mir immer schlecht geworden, hier nicht!!"

zweiter tag auf see. der autor des oben genannten zitats liegt den ganzen tag in seiner koje und k****. mir selbst geht es aber gut, solang ich auf deck bin.

dritter tag auf see. zwei leute liegen den ganzen tag in ihrer koje und k****.

vierter tag auf see. diesmal liegen drei leute den ganzen tag in ihrer koje und k*****. wir anderen denen es gut, oder einigermaßen gut geht, haben das schlauchboot aufgepumpt und es ins meer geworfen, natürlich haben wir es vorher an die mythilus gebunden. dann sind drei von uns in das - im gegensatz zu dem segelschiff winzig wirkende -  schlauchboot gestiegen. die anderen haben ein paar manöver gemacht und die schlauchboot-helden haben das ganze fotografiert. zugegeben. es ist schon ein ziemlich beklemmendes gefühl, wenn die mythilus auf einen draufhält und es einem in dem schlauchboot vorkommt, als würde man jeden moment von diesem schiff gerammt werden.

Uli:
"klarmachen zur wende" dringt leise an mein ohr.
die klüverschot wird wohl irgendwer anders übernehmen, also mach ich hier unten klar: tüte festhalten, kopfkissen über nach backbord.
in der messe ist auch jemand, alles klar.
es knarzt, die nun eintretende fast waagerechte lage des bodens führt zu völliger orientierungslosigkeit, (so ähnlich stelle ich mir schwerelosigkeit vor, klasse gefühl!), oben wird wohl gerade die fock backgehalten, es schwankt ganz anders als vorher.
vorsegel über" hört man hier unten schon nicht mehr, dazu knarrt es zu sehr.
mein kopfkissen hebt sich endlich in die erwartete lage, ich lausche gespannt auf die geräusche in der messe:
klock! sehr gut, das hörte sich nicht nach glas an, eher wie eine halbvolle plastikflasche. mein erleichtertes aufatmen wird durch leise rieselndes klirren unterbrochen und dann durch unterdrücktes fluchen... und weiter? weiter weiß ich nicht, denn dann kam wieder der schaukelnde schlaf.
nur die spüliflasche, die fand sich erst zwei spülgänge später unter der treppe wieder.

Babsi:
segeln – bei viel wind und wellen an der pinne stehen und versuchen, so hoch am wind wie möglich zu segeln; in luv in richtung vorschiff taumeln, weil man in lee nasse füße bekommt; achtern stehen und über die schon kleine schaumkronen tragenden wellen blicken; sich über ein plötzlich auftauchendes wolkenloch freün, das die sonne auf die segel scheinen lässt; den wind im gesicht spüren und sich das salzwasser aus den augen wischen!
 
so in etwa verbrachten wir den pfingstmontag dieses jahres. wir, die jungenschaft köln, schipperten auf einem kurztörn über pfingsten nämlich in den dänischen inseln herum. nun ja – einige von uns verbrachten besagten pfingstmontag leider auch krampfhaft an eine tasse tee geklammert und fortwährend trockenes knäckebrot knabbernd... . wer achtern saß und höchst konzentriert auf einen punkt am horizont starrte – natürlich mit obengenannter standardausrüstung von tee und knäcke – war meist auch nicht zu einem ablenkenden gespräch zu bewegen. im laufe des tages leerte sich das deck; es füllten sich die kojen... . mir persönlich ging es recht gut. ich stand eine zeitlang an der pinne (man glaubt gar nicht, wie anstrengend das sein kann!) und erfreute mich ansonsten an wind und wellen.
der eigentlich held des tages war allerdings marcel. er versorgte die seekranken unter deck mit tee, verteilte wenn nötig plastiktüten, entsorgte diese nach gebrauch wieder, und gab allen in allem den perfekten (see-) krankenpfleger ab, schon allein aus dem grund, dass ihm (ich glaube als einzigem von uns) unter deck nicht übel wurde. ich löste dieses problem mit konseqüntem an-deck-und-beschäftigt-sein, was bestens funktionierte – auch wenn ich dafür später vollkommen durchnässt war. es war also ein herrlicher segeltag!
generell hatten wir mit dem wetter unheimliches glück. keinen regen, aber sonst sehr abwechslungsreich: von oben beschriebenem wind mit entsprechenden wellen über leichten wind zum gemütlich-entspannten segeln, bis hin zur badeflaute. das wasser der ostsee war schon einigermaßen kalt, aber doch auch sehr erfrischend... .

reisen ist lehrreich, heißt es. nun, das kann ich nur bestätigen. einmal vom segelbedienen, steürn und navigieren abgesehen, lernten wir auch noch etwas über chaotische ablegemanöver (nein, doch nicht von uns!), bzw. wie man als innerstes, direkt an der pier liegendes schiff eines 5er-päckchens im hafen nicht ablegt. wir wissen jetzt, dass man in diesem fall seinen liegenachbarn besser 15 min vorher bescheid sagt, dass man bald ablegen möchte, und nicht den motor anlässt und mit den worten „wir legen jetzt ab" beginnt, die leinen loszuwerfen... . desweiteren wissen wir nun, dass dänische duschen teuer sind, und dass man sowohl ohne regen nass, als auch ohne rahen glücklich werden kann.

insgesamt war unser törn also einfach genial; gut geskippert und schön! ich hätte pfingsten nicht anders verbringen wollen, und auch das nachträgliche schwanken, welches sich bemerkbar machte, als man wieder festen boden unter den füßen hatte, war durchaus irgendwie reizvoll... ;-).

von diesem törn absolut begeistert, babsi
 

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Frühstück

Sanft werde ich von einer warmen Welle emporgehoben, ich blicke vor mich und sehe in der Ferne den hellen Strand in der Sonne blinken und davor das glitzernd blaue Wasser. Mit ein paar lässigen Kraulzügen schiebe ich mich vorne auf den Wasserabhang und gleite mit der sich aufbäumenden Welle auf den Strand zu. Ein paar Mal drehe und wende ich mich in der wohligen Wärme und lasse mich strudelnd vorwärts ziehen, da rüttelt es mich durch. Erst kurz, dann noch einmal und stärker, sehr unsanft zwängt sich etwas zwischen mich und die Südseewelle:
„Hei, Aufstehen, hei, Christian, du bist Smut heute, aufwachen..."
„Laß mich doch in Ruhe, Mensch!"
Ich drehe mich im Schlafsack auf die andere Seite wie kurz zuvor noch im warmen Wasser, aber nichts zu machen - die Sonne und die Wärme und das Wasser sind weg. Nur das Schiff mit meiner Koje wird sanft emporgehoben und gleitet, sich langsam auf die Seite legend, eine Welle herab. Das Wasser rauscht an der Bordwand entlang.
Ich quäle meine Hand aus dem Schlafsack, taste mich in das Schwalbennest vor, wühle nach dem Wecker  - halb sieben! Überhaupt nicht einzusehen, daß man als Smut so früh aufstehen soll. Die Hand gleitet wieder ins Warme, der Adrenalinstoß des ersten Weckens verhallt in meinen Adern und die Südsee meldet sich wieder.
„Heeeiii! - Wir wollen gleich was zu essen....Du warst doch derjenige, der meinte, daß der Smut um halb sieben aufstehen sollte...Außerdem hast du uns Spiegeleier versprochen."
Müde halte ich mich wenig später in der Pantry fest, denn das Schiff schwankt ganz ordentlich. Verschlafen und unorganisiert wandern die Augen hin und her. Der Wasserkessel in der dunklen Ecke hinten macht ssssss-klack, wenn er nach backbord gegen das Regal ruscht und ssssss-frinnggg, wenn er steuerbord von seinem Tüddelbändsel aufgefangen wird. Die Thermoskannen machen alle zusammen klklklklack, sowohl nach links wie nach rechts und die Tellerstapel ganz schnell hintereinander kliklikliklikliklick, weil die Teller einzeln die Wand erreichen: klikliklikliklikliklik. Schöne Geräusche, dabei könnte man glatt einschlafen. Mein Kopf vor der oberen Schlingerleiste macht pock! Au! Mist. Sch...

Der Knoten am Wasserkessel wehrt sich eine Weile, dann beteiligt sich auch die Wasserpumpe an der Geräuschkulisse pffsscht- pffsscht- pffsscht- pffsscht- pffsscht.
Hinten rechts kann man den Kessel gut festklemmen, die Halterung mit ihren offenen Rundungen umfaßt den Blechtopf, und wenn man die Tülle in Längsrichtung des Schiffes ausrichtet, schwappt auch der volle Kessel nicht über. Aus der Backskiste suche ich den restlichen Frühstückskram heraus und wundere mich wieder, daß es kein Nuß-Pli gibt. (Seit Nuß-Pli auch im Glas zu haben ist, gibt es keinen Grund mehr, Nutella zu kaufen.)
Jetzt ist es Zeit die nächste Wache zu wecken, schnöde Rache für das eben erlittene Geschick. Ich nehme mir vor, sie später nach ihren Träumen zu fragen, vielleicht war ein besonders schöner dabei, der mein Rachebedürfnis endgültig befriedigen würde.

Während ich die Kaffeekanne mit drei Fingern der einen Hand festhalte und mit den restlichen zweien den Filterhalter mit dem Melittakaffefilter und dem Kaffepulver obenauf balanciere, suche ich nach einem festen Stand, um den Wasserkessel greifen zu können und dann das Wasser schön in die Mitte des aufgehäuften Kaffepulvers platschen zu lassen. Ich schaffe das ganz locker, nur die große Thermoskanne auf der Anrichte macht leicht ssssrr, ssssrr und rutscht ein bißchen hin und her.
Das System ist jetzt starr und bildet eine gerade Linie: Oben Wasserkessel, dieTülle genau über dem Filter, darunter die Kanne, die Anrichte.
Jetzt kippen.
Leider kippt auch das Schiff. Und zwar von links nach rechts und umgekehrt. Im Gegensatz zu meinem Kaffeeturm drängt das aus dem Wasserkessel befreite sehr heiße Wasser sofort danach, den Gesetzen der Schwerkraft zu folgen und fließt lotrecht nach unten. Nicht in den Filter, da mein System gerade auf Backbordbug liegt. Statt dessen auf meine Finger, ich lasse alles los, schreie laut und der Kaffee landet überall.

Mittlerweile rumort es im Vorschiff die ersten verschlafenen Gesichter driften an mir vorbei ins Klo oder den Niedergang hinauf, um einen Rundumblick zu wagen. Es sind geradegestellte, müde Gesichter, noch ohne Mimik, die nicht einmal die Sauerei vor der Pantry beeindruckt.
Nachdem das meiste notdürftig weggewischt ist, kommen meine mittlerweile etwas wacheren Frühstücksgäste, krabbeln auf die Bank und bekommen keinen Kaffee. Das gefällt ihnen nicht, auch nicht der als Ersatz angebotenenTee. Mißmutig schmieren sie ihre Brote und fragen nach den Eiern.

Ich filtere zuerst den Kaffee, was im zweiten Anlauf leidlich gelingt.
Die Pfanne wird auf der vorderen linken Flamme festgeklemmt, ein Schuß Öl hinein, das sich zäh auf den Boden der Pfanne verteilt. Langsam erhitzt sich das Metall und das Öl beginnt mit den Bewegungen des Schiffes hin und her zu fließen. Ich greife mir das erste Ei, schlage mit dem Pfannenwender eine Kerbe in die Schale, breche sie auseinander und lasse Eiweiß und Eigelb in die Pfanne flutschen. Fett spritzt auf, die unterste Schicht wird gleich weiß, in der Schicht darüber glitscht das Eiklar mit dem Dotter noch weiter zum Pfannenrand.
Da wir eigentlich auf Steuerbordbug segeln sammelt sich in der festen Pfanne ein kleiner See, in dem ein Dotter schwimmt, auf meiner Seite. Rundherum ist er von Öl umgeben und alles schwappt. Noch einmal nach Backbord, mit Schwung wieder zu mir und flupp-glitsch über den Rand. Mist.
Ich könnte nun schreiben, daß der Dotter ganz geblieben sei, noch auf der Anrichte sich befände und leicht und ungesehen sich mit dem Pfannenwender wieder in die Pfanne befördern ließe. Er liegt aber auf den Bodenbrettern, was mit Hohngelächter und Buhrufen von der Bank quittiert wird.
Wieder muß ich wischen, die Bank mit den billigen Plätzen gibt weiterhin keine Ruhe und ich tropfe wieder Öl in die Pfanne - vorsichtig - und schlage das nächste Ei hinterher. Dieses bleibt in der Pfanne und sammelt sich wie sein unglücklicher Vorgänger in der mir zugewandten Ecke.
Sofort (Sofort!) im Anschluß hebe ich die Pfanne mit dem Ei-See an, damit das Spiegelei nun nicht keilförmig gebraten wird, weil der Pfannenboden schräg liegt, die Oberfläche des Eiweißsees aber gerade bleibt, sondern, wie Spiegeleier zu sein haben, schön flach und knusprig wird. Jetzt kommt mir die Schwerkraft zu Hilfe, denn am Eidotter, der wie die Libelle einer Wasserwaage hin und her schwappt, kann ich prima sehen, ob ich die Pfanne wirklich waagerecht halte. Mit den Bewegungen des Schiffes und dem gleichzeitigen Kippen des Herdes hebe und senke ich die Pfanne, damit es ein gutes, ehrliches Spiegelei wird. Ich konzentriere mich, sorge für einen festen Halt und rutsche auf den Resten des ersten Eis aus. Ich rutsche mit den Beinen vom Herd weg und nach hinten unter den Tisch, mit der einen Hand versuche ich mit dem Bratenwender irgendwo Halt zu finden, mit der anderen Hand reiße ich das zweite Ei, dieses Mal mit der Pfanne, über die Kante auf den Boden. Das Schiff legt sich auf die andere Seite und ich rutsche in das Ei und das Öl und die Pfanne hinein.
Nicht mein Tag heute. Und die auf der Bank haben immer noch Hunger, den Glauben an die Spiegeleier aber längst verloren. Nachdem ich erneut kopfunter die Bilge geputzt habe, ist mir auch noch schlecht und ich stürze zum Klo. Erneutes Hohngelächter verfolgt mich. Als ich zurückkomme, essen sie alle friedlich Brote mit Marmelade. Ich esse erst einmal nichts.
Auch dieser Tag wird vorübergehen...
 

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Nachtwache

Der Fünfer-Rhythmus,den wir als Wachsystem eingeführt haben gefällt mir gut. Heute Nachmittag hatten wir frei, ich habe die meiste Zeit verschlafen, es war auch kein spektakulärer schöner Sommertag, nein, war es wirklich nicht, und der Schlaf hat gut getan. Um sieben gab es Abendessen, wenn sich auch Ralf* dieses Mal nicht gerade selbst übertroffen hat. Angebrannter Reis mit einer dünnen, miesen Tomatensauce. Bäh! Selbst das Bier zum Nachspülen hat den Geschmack nicht völlig vertreiben können und wir saßen mißmutig herum bis wir, sogar ein wenig zu früh, die Nachmittagswache abgelöst haben. Meike meint, so ein Essen abzuliefern sei auch eine Methode, um sich für die Zukunft vorm Smuten zu drücken. Schon heute morgen hatte es die versprochenen Spiegeleier nicht gegeben und den Kaffee erst im zweiten Anlauf.
Die Freiwache hat sich nach unserer Meckerei gar nicht erst mit dem Reis befaßt, sondern gleich Brote geschmiert, sich ein Bier gegriffen und schaut nun in Lee auf den Sonnenuntergang, der sich am Horizont langsam vorbereitet und schon mal rote Strahlen von unten gegen die Wolkendecke schickt. Meike tuschelt: „Schau mal, Bine und Frank hocken schon wieder aufeinander. Soll sie ihm doch gleich auf den Schoß springen." Uns ist natürlich allen klar, was da läuft. Natürlich sind auch mindestens zwei aus der Crew eifersüchtig, denn Frank und Bine gelten nach den landläufigen Vorstellungen als sehr attraktiv.
Im Logbuch ist der 27. Juni als Datum eingetragen und so ist es um halb neun noch hell, die Sonne steht, nachdem es aufgeklart hat, noch gut über dem Horizont. Der Kurs steht und der Wind läßt mit dem beginnenden Abend ein wenig nach, die Nacht verspricht angenehm zu werden.
Die Abendbiere sind getrunken, die Freiwache schlummert. Meike nörgelt ab und zu noch herum und klagt, daß die blöde, blöde Bine schon zweimal den Typen, den sie auch gerade und jetzt schon wieder und warum denn und so weiter...Langsam geht die Sonne unter.

Das Topsegel und der Flieger sind geborgen und auch Meike ist still, insgesamt wird es ruhig. Die Konturen des Landes und der Horizont verschwimmen allmählich. Mit der schwindenden Außenwelt schrumpft der Raum auf die Grenzen unseres Schiffes zusammen und läßt es größer werden. Meine Wahrnehmung, die sich zuvor bis zum Horizont ausbreiten durfte, muß sich jetzt mit der kleinen Welt von 14 Metern Länge zufrieden geben, da bekommt jeder Zentimeter Holz ein wenig mehr Platz im Kopf. Selbst das Vorschiff ist nur zu erahnen und die Segel schimmern blaß und ohne Konturen, unscharf wie Gespenster.

Die Schanz ist die Grenze dieser eigenen, kleinen Welt. Von dort aus sehe ich, wie die kleinen Wellen aus dem Nichts kommen und hinter dem Schiff wieder ins Nichts verschwinden. Am Heck schäumt es strudelig am Ruder und wir ziehen einen Schweif von Meeresleuchten hinter uns her. Aber selbst der verliert sich nach wenigen Metern. Schade, daß wir nicht ins Wasser pinkeln dürfen. Dabei erglüht noch ein Zusatzleuchten, das sich rückwirkend bis hin zur Quelle zu ziehen scheint und auch ihr einen gewissen persönlichen Schein verleiht. Eva erzählt vom Atlantik, wo das Meeresleuchten so stark war, daß sie es mit Kaffeefiltern herausfiltern und in Marmeladengläser füllen konnten. In der Koje brauchte man es nur zu schütteln und hatte einen sanft leuchtenenden Trost in einsamen Stunden. Das wäre jetzt was für Meike....

Es ist immer ein komisches Gefühl, wenn die Dämmerung in die Nacht übergeht. Irgendwann ist der Horizont nur noch zu ahnen und dann verschwimmt er, es ist oben und unten dunkel. Wenn ich mich innerlich fallen lasse, verliere ich meine Orientierung im Raum, es gibt keine Bezugspunkte mehr. Das Schiff neigt sich und richtet sich auf, aber ich spüre es nur noch, sehe es nicht mehr. Das Schiff scheint sich schwerelos im Raum zu bewegen. Ich spüre auch die Vorwärtsfahrt nicht mehr, nur noch das sanfte Geschaukele. Die Wellen verlieren ihren Geschwindigkeitscharakter, wenn sie am Boot entlangrauschen und selbst wenn wir sehr schnell fahren, gleicht das Gefühl eher einer Nacht am Strand. Man sitzt und die Wellen kommen auf einen zu, platschen am Ufer entlang und weg - und selbst sitzt man still.
Ab und zu knarzt die Klau (könnte mal wieder gefettet werden) und ich spüre noch mehr als sonst die der Mytilus eigene sanfte Weichheit des Riggs, dieses fühlbare Nachgeben der Schoten, Wanten und Segel in den Böen, ich fühle, wie sich der Widerstand gegen den vermehrten Druck aufbaut und das Schiff sich langsam wieder aufrichtet und entspannt. Fast ist es, als würden Rigg und Rumpf im Wind atmen.

„Ich hab´ da einen Leuchtturm an Backbord..." Zack, weg ist die Schwerelosigkeit, der Horizont ist durch Menschenhand wieder zwischen Himmel und Erde geschaltet und bietet Orientierung. Die Kennung des Turms und der elektronische Betrüger in der Navi verraten uns, daß wir auf dem rechten Kurs sind, ein zwei Tage werden wir wohl noch segeln. Kurz bevor ich wieder in meine halbmetaphysischen Gedanken zurücksinke, hebt Meike wieder an: „Kennst Du das auch?"
„Was?"
„Daß, wenn Du hier so sitzt, auf einmal viele Gedanken klarer werden?"
„Dafür werden aber andere durchaus noch viel unklarer, weil man über manche Dinge sonst gar nicht nachdenkt."
„Ja, schon, aber zum Beispiel das jetzt wieder mit der Bine und dem Frank, das geht mir durch und durch und ich finde es auch ungerecht. Wie kommt das denn, daß die Bine immer so viel Erfolg hat bei den Jungs und ich nicht?" Und sie erzählt, nachtwachentypisch, von Bines angeblichen Liebesabenteuern und ihren eigenen verpaßten Chancen.
„Ich bin aber viel lieber mir Dir zusammen als mit Bine", schaltet sich Markus aus dem Dunkel ein und enthebt mich einer Antwort. Meike rückt ins Dunkel hinein und während ich wieder ins Grübeln verfalle, dieses Mal über meine eigenen Liebesgeschichten und ihre Mißerfolge, höre ich Meike mit Markus reden. Na siehste wohl....

Das Wasser in Lee leuchtet gespenstisch grün im Widerschein der Positionslaterne. Die angeleuchtete Welle rauscht und scheint zu Leben zu erwachen. Sie steigt hoch und aus ihr formt sich schnell und schemenhaft eine fiese Seegestalt, die im Schutz der Dunkelheit auf das Vorschiff klettert und davonhuscht. Die Stimmen und Geräusche an Bord sind im Dunkeln viel schwerer zu orten. Sie kommen wie die Wellen aus irgendeiner Richtung, verraten aber ihre Herkunft nicht. Wer weiß schon, ob die Kette, die vorne geklappert hat, vom Ausguck angestoßen worden ist oder nicht doch von irgendetwas anderem? Vorne ist aber wieder alles still.

Karin hat eigentlich Freiwache, will aber morgen smuten und darf deshalb durchschlafen. Sie hat lange in der Messe geklappert und jetzt zieht ein genialer, noch unklarer Duft über das Deck. Klasse. Die Luke schabt auf und Karin schiebt sich vorsichtig, rückwärts, ein Tablett balancierend den Niedergang herauf. „Halbe Wache: Jemand Waffeln mit Sahne und Kaffee?" „Ey, endgeil, ey. Ich werd´ wahnsinnig. Super." Meike und Markus stehen schon neben dem Tablett. Nach einiger Zeit bekomme ich auch eine Waffel und genieße.
„Voohme um mach Wee iff awweff kaaah."
„Wee bebbe?" Mein Mund ist voller Waffel und mein „Wie bitte" etwas undeutlich, aber das habe ich nun wirklich nicht verstanden. Ein Schmatzen aus dem Dunkel beendet einen zu großen Bissen: „Vorne und nach Lee ist alles klar. Ich geh gleich wieder nach vorne." Jürgi war vom Ausguck aus seinen Instinkten gefolgt und hatte Futter gejagt. Wenigstens hat ihn das Ungeheuer nicht erwürgt.

Der Mond geht auf. Auf einmal wird es wieder hell, die Wasseroberfläche verwandelt sich fast vollständig in ein silbriges Geglitzer. Jede kleine Welle wirft uns einen hellen Strahl Mondlicht zu. Alle Schaumkronen auf den Wellen werden zu purem beweglichem Silber. Meike wieder: „Wie schön, daß die Spiegelung gerade genau auf unser Boot zeigt." Das wird nicht kommentiert. Schön ist es allerdings, da hat sie recht, es ist fast unerträglich schön. In der finnischen Wildnis ist uns einmal auf einem mondbeschienenen See mitten durch den Silberstrahl des Mondes eine Entenfamilie geschwommen. Das war dann zu viel des Kitsches und wir sind gegangen. Hier können wir nicht weg und müssen das Schauspiel bewundern, aber es läßt sich auch gerade noch aushalten.

Langsam streicht die Zeit vorbei. Wir peilen noch den ein oder anderen Leuchtturm und die kleinen Kreuze auf der Seekarte vervollständigen sich zu einer immer länger werdenden Linie. Eine Rekordmeilenwache wird das nicht, die Kreuze liegen viel zu dicht beieinander, dafür sind die vier Stunden sehr geruhsam und außerdem gleich vorbei.
„Chrischan, es ist schon zwanzig vor zwölf, soll ich die Anderen schon wecken?"
„Ja, mach man - aber nicht so wie gestern...und setz bitte Kaffee auf."
Penetrant schweigend verschwindet Meike unter Deck. Gestern hatte sie der Freiwache einfach die Schlafsäcke weggezogen, nachdem diese nicht gleich aufgestanden war. Mit der Rache der anderen Wache war sie wohl auch nicht einverstanden, was genau vorgefallen ist, wollten aber weder Meike noch die Wache verraten. Heute wird jedenfalls ganz lieb geweckt. Die ersten verschlafenen Gesichter erscheinen und strecken ihren Kopf an die frische Luft „Moin" - „Moin" - „Ruhige Wache." - „Schön, wo sinnwa denn?" - „Zwanzig Meilen weiter." - „Schön", und verschwinden wieder. Im Vorschiffs und unter mir in der Achterkoje kann ich das Gerummel hören, mit dem sich halbwache Körper im Halbdunkel in schwankender Umgebung in ihre Kleidung zwängen. Bald darauf erscheint die andere Wache und verlangt nach Kaffee. Ich trinke mit Jürgi noch ein halbes Bier und freue mich auf meine Koje und ein paar Stunden Schlaf. Mehr als dreieinhalb werden es wohl nicht, denn um vier stehen wir schon wieder hier. Morgen Abend sind wir am Ziel.

*Name von der Redaktion geändert. Zurück zu Ralf


Eine Woche auf der Mytilus - die Gruppe Merlin auf Seefahrt

Ein kalter, verregneter Morgen im Juni, 4 Uhr morgens: Es heißt aufstehen, anziehen und auf Deck - natürlich ohne Frühstück! Die kurze Nacht wurde teilweise mit Schlaf und teilweise mit Ankerwache verbracht. Jeder musste dabei eine halbe Stunde im Regen auf Deck sitzen und anhand der umliegenden Lichter an Land beobachten, ob unser Schiff etwa abtreibt. Dann heißt es: Alle mit anpacken. Nachdem das Großsegel losgemacht ist, ziehen je zwei an Piekfall und Klaufall, um das schwere Großsegel hochzuziehen. Ein dritter sichert jeweils das Tau, schießt es anschließend auf und macht es am Belegnagel fest. Während der Zeit hält unser Kapitän Martin die Mytilus per Motor in der richtigen Position, um sie jetzt langsam in den Wind zu drehen. Jetzt geht es aber erst richtig los. Die Fock muss angeschlagen und hochgezogen werden, was während des Segelns gar nicht so einfach ist: Man muss richtig aufpassen, von dem flatternden Segeltuch nicht getroffen zu werden. Endlich stehen wir voll im Wind und segeln mit einigen Knoten Geschwindigkeit auf der Elbe in Richtung Nord-Ostsee-Kanal. Die Gruppe Merlin beim Segeln – endlich haben wir das geschafft, wovon schon einige in der Jugendschaft geträumt hatten. Die Mytilus war dafür einfach die ideale Möglichkeit. Das historische Segelschiff, das von einem gemeinnützigen Verein in  jahrelanger ehrenamtlicher Arbeit durch Segelbegeisterte restauriert und auf den neuesten technischen Stand gebracht wurde, bietet Gruppen von bis zu 10 Personen die Gelegenheit, einige unvergessliche Tage auf dem Meer zu verbringen. Die Schiffsbesatzung besteht dabei aus der mitfahrenden Gruppe, einem Schiffsführer und einem oder zwei Assistenten, die einem die grundlegenden Handgriffe beibringen. Von da an heißt es: selbst Hand anlegen, denn Segeln auf der Mytilus heißt nun mal, an Deck zu sein und auf Kommando die eingeübten Handgriffe zu tun, um die gewünschten Manöver zu fahren.
Normalerweise ist die Mytilus in der dänischen Südsee unterwegs, ihr Heimathafen ist aber Hamburg. So war es unsere Aufgabe, ausgehend von Hamburg innerhalb einer Woche den Museumshafen Kappeln zu erreichen, wo die nächste Gruppe einsteigen sollte. Aus diesem Grund war an den ersten zwei Tagen noch Michael, ein zweiter Schiffsführer mit an Bord, denn die Elbmündung ist angesichts riesiger Frachtkähne und vieler anderer Schiffe nicht der ideale Ort für eine neue Crew, das Segeln zu lernen. Schließlich ist man auf der Elbe auch noch von Ebbe und Flut abhängig, was - wie bereits erzählt - dazu führte, dass wir am zweiten Tag schon so früh raus mussten. Um so erholsamer war dann der nächste Tag, den wir per Motorfahrt auf dem Nord-Ostseekanal verbrachten. Dort darf man wegen der schmalen Fahrrinne nicht segeln. Hier war viel Zeit zum Kartenspielen, Lieder abschreiben, Singen oder einfach schlafen. Für all das bietet die Mytilus trotz der recht engen Verhältnisse Gelegenheit: im Vorschiff hat jeder seine eigene Koje, wo tagsüber das Gepäck seinen Platz hat. In der Messe findet sich neben der gut ausgestatteten Küche auch ein großer Tisch, an dem alle Platz finden. Hier wird gemeinsam gefrühstückt und zu Abend gegessen, auch für gemütliche Singeabende bietet er sich an. Falls man tagsüber auf See ist, werden einfach Brote geschmiert. Kaffee und Tee müssen am Morgen in ausreichender Menge gekocht werden. Im Achterschiff gibt es noch einen extra Raum mit Kojen für Schiffsführer und Assistenten. Dort sind auch sämtliche Technischen Geräte wie Funkgerät, Echolot, Satellitennavigation usw. untergebracht.

Auf der Mytilus fühlt man sich sofort zu Hause. Jeder hat seine Aufgabe und die Besatzung tut auch ihr bestes, um Landratten wie uns die Grundlagen des Segelns näherzubringen. Die anfangs etwas verwirrenden Fachbegriffe gehen einem bald in Fleisch und Blut über. Und es ist ein unbeschreibliches Gefühl, zum ersten Mal unter vollen Segeln und bei strahlendem Wetter über die Wellen zu gleiten. Dazu kommen dann unvergessliche Erlebnisse wie bei uns ein Sonnenuntergang in der Kieler Bucht, das morgendliche Baden mit Sprung vom Großbaum, kulinarische Höhepunkte wie Pizza oder Pfannkuchen oder auch der Tag auf der Ostsee, als die Fregatte Bremen uns spontan umrundete, damit die Besatzung sich „mal unser schönes Schiff anzuschauen konnte". Es macht auch einfach Spaß, in jedem Hafen die staunenden oder bewundernden Blicke von anderen Segelschiffen zu sehen, die auf das wirklich schöne Schiff gerichtet sind. Es kam auch vor, dass sich jemand das Schiff von innen anschauen wollte, was natürlich auch erlaubt ist. Der nördlichste Punkt unserer Fahrt war Sonderborg in Dänemark. Dort blieben wir sogar für zwei Nächte, weil der Wind  zwischenzeitlich einfach zu stark wehte (Windstärke 6).

Letztendlich kann ich jeder Gruppe nur empfehlen, einmal einen solchen Törn mit der Mytilus zu machen. Es wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Zugvögel auf die Weise die Ostsee unsicher machen.

An dieser Stelle nochmals vielen Dank an die Schiffsbesatzung Martin, Ulf und Michael, die uns dieses Erlebnis letztlich möglich gemacht hat. Wer weitere Informationen haben möchte, schaut sich im Internet die Seite http://www.vereine.comcity.de/mytilus/index.html an oder fragt einfach jemand aus der Gruppe Merlin.

Klaus                                                                    (Bericht aus Zugvogel, Ausgabe 5/99)


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